Demokratische Schulentwicklung an der Sibilla-Egen-Schule Schwäbisch Hall

Im Interview mit Frau Haas, Lehrerin und Koordinatorin für demokratische Schulentwicklung an der Sibilla-Egen-Schule

Lernort für Demokratie: Frau Haas, Sie befinden sich derzeit an Ihrer Schule in einem sehr intensiven Prozess der demokratischen Schulentwicklung? Wie organisieren Sie sich an Ihrer Schule, um diesen Prozess anzugehen?

Wir sind eine berufliche hauswirtschaftliche Schule mit einem relativ kleinen Kollegium von etwa 50 Lehrkräften, das sehr viele junge Mütter oder abgeordnete Lehrkräfte einschließt. Mehrfache Versuche in den letzten Jahren, eine Arbeitsgruppe für Demokratiebildung einzurichten scheiterten am Personalmangel und fehlenden Ressourcen zur Entlastung. Dazu kam mit dem immer mehr wachsenden Druck auf die Demokratie die Deutlichkeit für uns, dass Demokratiebildung nicht nur Aufgabe der Geschichte- und Gemeinschaftskunde Fachschaft sein oder auf den Schultern einzelner engagierter Lehrkräfte liegen kann.

Unsere Schulleitung hat daraufhin die Demokratiebildung als „Erstellen des Konzepts Demokratie an der Sibilla-Egen-Schule leben“ fest in unseren Zielvereinbarungen mit dem RP im Rahmen des OES Konzepts (Operativ Eigenständige Schule) verankert.

Dabei möchten wir ein ganzheitliches Konzept erstellen, das darüber hinausgeht, Demokratiebildung zu verankern, sondern auch als Ziel hat, Schulentwicklungsprozesse demokratisch auszugestalten.

Zur Koordinierung wurde ein A14 Stelle ausgeschrieben und seit diesem Schuljahr haben wir auch eine Steuergruppe mit Kolleg:innen, die in verschiedenen Schularten unserer Schule unterrichten und als Team diesen Entwicklungsprozess gestalten.

Als Schule haben wir uns 2024 bei InnolabBS (Innovationslabor Berufliche Schulen in Baden-Württemberg) beworben, was uns bei unserem Vorhaben noch weitere Ressourcen wie Deputatsstunden, Vernetzung und Begleitung auf dem Weg des Prozesses bietet.

Lernort für Demokratie: Was sind Ihre Ziele und in welchen Schritten wollen Sie diesen näher kommen?

Ziele:

  • Stärkung der Partizipation aller Mitglieder der Schulgemeinschaft.
    Bei „Schule“ geht es vornehmlich um Schülerinnen und Schüler – wo können sie in diesem hierarchischen Konstrukt teilhaben, mitgestalten und sogar mitbestimmen? Dasselbe gilt aber natürlich auch für Lehrerinnen und Lehrer und auch die Elternschaft.

  • Weiterarbeiten an einer transparenten und dialogorientierten Schulkultur
  • Förderung demokratischer und sozialer Kompetenzen und gelebter Vielfalt für alle am Schulleiben beteiligten
  • Verankerung von Demokratiebildung im Unterricht und im Schulalltag mit Hilfe eines Schulcurriculums (Schulpartitur) für unsere Schularten und darin enthaltenen Stufen.
  • Insgesamt: Verankerung und Verstetigung
    Das heißt, Nachhaltigkeit und Selbstverständlichkeit schaffen. Dazu gehören zu den oben genannten Zielen und dem verbindlichen Curriculum auch die Bereitstellung von Materialien, so dass nicht jeder (gerade im Kollegium oder in der SMV) das Rad neu erfinden muss.

Schritte:

Wir sind gerade dabei eine größer angelegte Evaluation an der Schule durchzuführen, die wir als Pilotschule der Landeszentrale für politische Bildung BW im Rahmen der Moderator:innen Ausbildung für demokratische Schulentwicklung zur Verfügung gestellt bekommen haben und für unsere Schulstruktur inhaltlich anpassen konnten.

Die Befragungsbögen richteten sich dabei an die Schülerschaft der unterschiedlichen Schularten und das Kollegium. In Planung ist dann auch eine Befragung der Eltern.

Aufgrund unserer Schulart, die zwar auch Schülerinnen und Schüler hat, die schon über ein Jahr bei uns sind, aber auch viele Klassen hat, die neu starten und die Schule noch nicht kennen, erstreckt sich dies über das ganze Schuljahr. Die Herausforderung für uns ist zunächst, diese Daten dann aufzubereiten – auch mit Einbezug der SMV – und sie der Schulgemeinschaft am Ende transparent, aber dennoch gebündelt zur Verfügung zu stellen und die Ergebnisse natürlich auch für das weitere Vorgehen zu diskutieren.

Außerdem ist es uns dieses Schuljahr wichtig, die SMV neu zu stärken, um nach den Corona Jahren wieder SMV-Tage durchzuführen, regelmäßige Treffen mit der Schulleitung zum Austausch abzuhalten oder zum Beispiel die bisherige Satzung wieder zu überarbeiten und SMV-Wahlen basisdemokratischer zu gestalten.

Auch die Einführung eines Klassenrats zur weiteren Partizipation von Schülerinnern und Schülern ist ein Thema. Unsere Schularten bringen es mit sich, dass viele Schülerinnen und Schüler eben nicht über einen so langen Zeitraum wie an anderen weiterführenden Schulen im Haus sind und es schwierig ist, dann über so kurze Zeit einen Klassenrat zu etablieren. Das wollen wir auch zunächst nicht „übergestülpt“ von oben initiieren, sondern erst einmal für freiwillige Klassenlehrer:innen mit bereitgestelltem Material und etwas Input in unseren Kooperationszeiten an der Schule anschieben.

Weiter sind wir am Sammeln von Aktivitäten, die schon überall stattfinden. Das Ziel ist hier, gemeinsam mit den Klassenlehrer:innen, den Fachschaften und weiteren Engagierten, die auch Sonstiges darüber hinaus organisieren, zu erarbeiten, wie wir das in eine verbindliche Schulpartitur, also ein Curriculum für alle Schularten und Stufen, aufnehmen können.

Langfristigere Maßnahmen werden wir dann aufgrund der Ergebnisse der Evaluation mit der SMV, mit externen Beratern und auch offen für Interessierte im Kollegium festlegen. Im Auge haben wir, dafür aufgrund der sich zeigenden Bedürfnisse, einen Schulentwicklungstag Anfang des nächsten Schuljahres zu gestalten. Dieser soll nicht nur als pädagogischer Tag gestaltet sein, sondern auch die Schülerinnen und Schüler mit Workshops teilhaben lassen.

Lernort für Demokratie: Was sind für Sie die großen Herausforderungen für eine erfolgreiche demokratische Schulentwicklung?

Demokratische Schulentwicklung lebt von der aktiven Beteiligung aller – der Schüler:innen, Lehrkräfte, Eltern und weiterer schulischer Akteure. Doch gerade an beruflichen Schulen ist die Umsetzung mit besonderen Herausforderungen verbunden. Unsere unterschiedlichen Schularten und die damit verbundenen heterogenen Sprachkompetenzen oder Lebenswirklichkeiten der Schüler:innen erschweren oft eine gleichberechtigte Partizipation. Hinzu kommen strukturelle Bedingungen wie die teils kurze Verweildauer in mehreren Schularten, was nachhaltige Beteiligungsprozesse erschwert. Auch Rahmenbedingungen wie unterschiedliche Prüfungszeiten stellen zusätzliche Hürden dar, die im zweiten Schulhalbjahr gemeinsame Aktivitäten fast nicht ermöglichen.

Ein zentrales Problem ist der Mangel an Ressourcen: Demokratische Schulentwicklung braucht Zeit, die Schaffung geeigneter Räume für Austausch, Reflexion und Zusammenarbeit, um Verbindlichkeit und dann auch Nachhaltigkeit zu schaffen – sie darf im Idealfall kein „Zusatz“ sein.

Eine tragende Rolle spielt außerdem die Schulleitung. Ihre Haltung und Unterstützung sind entscheidend dafür, ob demokratische Prozesse angestoßen, ernst genommen und langfristig verankert werden können. Damit verbunden ist ein verändertes Rollenverständnis: Lehrkräfte und Schulleitung müssen im hierarchischen Konstrukt Schule Verantwortung teilen, Schüler*innen müssen befähigt und ermutigt werden, sich aktiv einzubringen. Nicht zuletzt braucht es eine gemeinsame Haltung im Kollegium – denn ohne ein geteiltes Verständnis von Demokratie und der Bereitschaft zu gelebter Praxis bleibt diese Schulentwicklung bloß ein gut gemeintes Vorhaben.

Am 16. Juli von 15:30Uhr – 16:45Uhr steht Frau Haas mit weiteren Lehrkräften aus der Steuerungsgruppe für einen Online-Netzwerkaustausch zur Verfügung.

Zum Termin